Die Gewerkschaftliche Werbung und Information am Arbeitsplatz wird durch die Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG geschützt.
Nach heutiger Rechtsprechung ist Werbung und Information für eine Gewerkschaft unstreitig vor Beginn und nach Ende der Arbeitszeit, in den Pausen, während der Stillstandszeiten oder während anderen Erholungs- oder Bedürfniszeiten zulässig.
Wird die gewerkschaftliche Werbe- / Informationsarbeit während der Arbeitszeit getätigt, ist dies grundsätzlich auch zulässig. Sie findet ihre Grenze jedoch in den arbeitsvertraglichen Pflichten.
Wann arbeitsvertragliche Pflichten verletzt werden und dies zu einer Unzulässigkeit der Gewerkschaftsarbeit während der Arbeitszeit führt, ist nach heutiger Rechtsprechung im Einzelfall durch eine Abwägung des Schutzinteresses des Arbeitsnehmers und des Arbeitgebers zu entscheiden.
Auf der Seite des Arbeitnehmers geht es dabei um den Schutz, den Art. 9 Abs. 3 GG der Mitgliederwerbung für seine Gewerkschaft angedeihen lässt, und um das Gewicht des Interesses, auch während der Arbeitszeit für die Gewerkschaft zu werben. Für die Position des Arbeitgebers spricht dessen wirtschaftliche Betätigungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, die insbesondere bei einer Störung des Arbeitsablaufs und des Betriebsfriedens berührt wird (vgl. BVerfGE 93, 352).
Sofern die Arbeit von anderen Kollegen erledigt oder von dem betreffenden Arbeitnehmer binnen kurzem nachgeholt wird überwiegt in den meisten Fällen wohl noch der Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG zugunsten des Arbeitnehmers. Wird der Arbeitsablauf jedoch nicht nur unwesentlich gestört, ist zugunsten des Arbeitsgebers zu entscheiden. Ob eine solche Störung vorliegt, hängt allein vom Inhalt des Arbeitsvertrages und nicht von einer speziellen gesetzlichen Regelung ab (vgl. BVerfGE 93, 352).
Möchte der Arbeitgeber einen Arbeitsnehmer, der während der Arbeitszeit Werbungs- / Informationsarbeit für eine Gewerkschaft gemacht hat, für dieses Handeln abmahnen, hat er in der Abmahnung die Pflichtwidrigkeit darzulegen. Diese muss unmissverständlich formuliert sein und erkennen lassen, warum und gegen welche Vertragspflicht der Kläger trotz des ihm verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutzes der Koalitionsfreiheit verstoßen haben soll (vgl. LAG Schleswig-Holstein / AZ 6 Sa 562/99). Genügt eine Abmahnung diesen Grundsätzen nicht, wird sie gegen eine mögliche Klage des Arbeitnehmers auf Rücknahme nicht stand halten.
Das Interesse des Arbeitgebers an dem Unterlassen von Werbemaßnahmen einer Gewerkschaft während der Arbeitszeit muss daher in den meisten Fällen dem Schutz aus der Koalitionsfreiheit weichen. Bei offensichtlichen und nicht unwesentlichen Verstößen gegen den Inhalt des Arbeitsvertrages ist eine Abmahnung des Arbeitnehmers jedoch zweifelsfrei gerechtfertigt.